Flammen der Rache by Linda Barnes

Flammen der Rache by Linda Barnes

Autor:Linda Barnes [Barnes, Linda]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Zwanzig

Demonstranten patrouillierten auf dem Bürgersteig vor dem Gefängnis. Ich würde nicht so weit gehen, von einer gut organisierten Demo zu sprechen. Ein stämmiger Schwarzer in dunkelblauem Anzug trug auf seinen breiten Schultern ein Schild, auf dem freiheit für Schwester gwen stand. Zwei schmächtige dunkelhäutige Frauen in scharlachroten Chorgewändern schwenkten ähnliche Plakate: armut ist kein verbrechen und natürlicher tod: locht die schwarze ein. Einkaufende und Geschäftsleute machten einen großen Bogen um sie.

Vor Jahren erschoss der Weiße Charles Stuart in der Bostoner Mission-Hill-Gegend seine weiße, schwangere Frau, zehn Minuten, nachdem sie beide an einem Geburtsvorbereitungskurs im Frauentrakt des Brigham-Krankenhauses teilgenommen hatten. Er war selbst verletzt und konnte der Polizei nur mit Mühe einen Schwarzen im Jogginganzug beschreiben, der die Tat angeblich begangen hatte. Die Bostoner Kripo kaufte ihm das ab, trat die Bürgerrechte mit Füßen und veranstaltete unter den schwarzen Anwohnern eine Menschenjagd, die bis heute nachwirkt. Monate später sprang Charly, nachdem sich die Beschuldigungen gegen ihn häuften, von der Tobin-Brücke in den Tod.

Der Staatsanwalt, der gesamte Polizeiapparat, alle Beamten mussten wissen, dass Gwens Inhaftierung unter Umständen alte Wunden aufriss. Jemand drehte einen Videofilm, was die Demonstranten natürlich noch anfeuerte, und ab und an waren Fetzen eines Gospelsongs zu hören. Ein Pressefotograf, von der Musik oder der Farbe der Gewänder beeindruckt, machte Aufnahmen.

Ich ging über den Haymarket auf das Government Center zu. Der Wind zauste mein Haar, und einen kurzen Moment lang meinte ich, das Meer riechen zu können. Dann wechselte die Ampel, und Abgase verdrängten den salzigen Geruch.

«Also gut, machen wir in dieser Angelegenheit doch mal ein Brainstorming», schlug mir der Pflichtverteidiger Henry Fine zwanzig Minuten später vor.

Sein grauer Anzug von der Stange stammte offenbar aus einem Ausverkauf und sah so aus, als stecke immer noch ein Drahtkleiderbügel im Rücken. Seine schmale Krawatte war grell rot. Er hatte ein gebräuntes, kantiges Gesicht, das von kessen Locken gekrönt wurde.

«Also, ein Brainstorming», fuhr er fort. «Ich habe heute nicht viel Zeit. Würden Sie mir wohl bei einer Frage weiterhelfen? Was sollte sie Ihrer Meinung nach anziehen? Bei ihrem Erscheinen vor Gericht?»

«Ich bin eine schlechte Modeberaterin.» Mein Glaube an einen Freispruch Gwens vor Gericht schwand rapide dahin.

«Okay, gut. Sie sind Privatermittlerin, stimmt’s?»

«Sie haben mich auschecken lassen, stimmt’s?» Kein Anwalt hätte mich ohne eine vorherige Überprüfung zu Gwen gelassen.

«Also schön.» — Seine schmächtigen Schultern hoben sich und sanken dann jäh wieder. Der Knoten seiner Krawatte war ein klein wenig verrutscht. «Ich weiß, dass die Mandantin nichts lieber hätte, als wenn Sie mit von der Partie wären, aber die Rechtsfürsorge hat keine Mittel, um die Hilfe Außenstehender zu bezahlen.»

«Ach nein?» Die Rechtsfürsorge zahlt immer. Nicht viel und sehr zögernd, aber irgendwann kommt ein Scheck mit der Post. «Bei einem Sensationsprozess wie diesem? Keine Mittel? Das hört die Presse gar nicht gerne.»

In der darauf folgenden Stille setzte ich mich auf meinem quietschenden Sessel zurecht und machte damit klar, dass ich nicht vorhatte, so bald wieder zu gehen.

Er presste die Lippen zusammen. «Hat Ihr Gespräch einen Hinweis darauf ergeben, wo Nachforschungen angestellt werden könnten?»

Ich hatte nicht unbedingt das Verlangen, Henry Fine Vertrauen zu schenken.



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